978-3-86539-018-9 Der Jüdische Krieg und Kleinere Schriften Mit diesem Band, der der Neuedition der "Jüdischen Altertümer" folgt, liegt das Gesamtwerk des antiken jüdischen Schriftstellers Flavius Josephus in der durchgesehenen Übersetzung von Dr. Heinrich Clementz und versehen mit der Paragraphenzählung des griechischen Textes nach Benedikt Niese vor. Heinrich Clementz, geboren am 21. März 1859 in Köln, studierte Medizin an der Universität Bonn und ließ sich 1885 als Landarzt in Brauweiler bei Köln nieder. Seit 1904 lebte und arbeitete er als Kassenarzt der örtlichen Gemeindekrankenkasse im benachbarten Lövenich, wo ihm am 24. April 1909 für seine langjährigen Verdienste der Ehrentitel "Sanitätsrat" verliehen wurde. Neben seiner zeitaufwendigen ärztlichen Tätigkeit widmete sich Clementz der Literatur, der Musik und vor allem den Altertumswissenschaften. Im Juli 1899 erschien in der von der Hendel'schen Verlagsbuchhandlung in Halle/Saale edierten Bibliothek der Gesamt-Litteratur" seine vollständige Übersetzung der "Jüdischen Altertümer" des antiken jüdischen Schriftstellers Flavius Josephus. Im Mai 1900 folgte die Übersetzung der "Geschichte des Jüdischen Krieges" und im Januar 1901 schließlich erschienen auch die "kleineren Schriften", die "Selbstbiographie" und die Schrift "Gegen Apion". Zu den letztgenannten "kleineren Schriften" des Josephus zählte Clementz auch die - in dieser Neuauflage nicht mehr enthaltene - Schrift "Über die Makkabäer", tatsächlich eine der philosophischen Literatur des antiken Judentums zuzurechnende Abhandlung in Redenform aus der Hand eines unbekannten Verfassers. Das vordringliche Ziel der heute als "4. Buch der Makkabäer" bezeichneten Schrift ist die religiöse Erziehung, indem sie anhand von Beispielen aus der biblischen Überlieferung und dem apokryphen bzw. deuterokanonischen 2. Buch der Makkabäer lehrt, wie die fromme Vernunft die Affekte und Triebe zu beherrschen vermag* Die Übertragung des umfangreichen Gesamtwerks des Josephus ins Deutsche durch Dr. Heinrich Clementz fand ein überaus positives Echo im In- und Ausland; insbesondere in jüdischen Rezensionsorganen wurde seine gründliche Übersetzungsarbeit ausgiebig gelobt und der Lektüre anempfohlen. Bis heute enthält sein Werk die einzigen vollständigen deutschen Übersetzungen der "Jüdischen Altertümer" und der Schrift "Gegen Apion". In späteren Jahren fertigte Clementz auch eine - nur handschriftlich erhaltene - Übersetzung einer Auswahl aus den "Bekenntnissen" des Kirchenschriftstellers Augustin (354-430) sowie eine Übersetzung der vier Bücher des christlichen Mystikers Thomas von Kempen (1379/80-1471) über die "Nachfolge Christi" an. Letzteres Werk trug entscheidend zu seiner Ernennung zum Ritter des päpstlichen Silvesterordens am 24. Oktober 1925 bei. Der verdienstvolle Landarzt und eifrige Privatgelehrte Dr. Heinrich Clementz verstarb am 23. April 1946 im hohen Alter von 87 Jahren in Lövenich** Flavius Josephus, dessen erhaltenes Gesamtwerk Clementz übersetzte, wurde geboren im ersten Jahr des römischen Kaisers Caligula (37/38 n. Chr.) in Jerusalem als Sohn des Mattatiahu. Gestorben ist der Abkömmling vornehmer und wohlhabender Eltern aus dem Priesteradel nach 100 n. Chr. in Rom. Flavius Josephus verdanken wir eine Reihe von Werken, die für die Erhellung der Geschichte des Judentums im 1. Jahrhundert n. Chr. von unschätzbarem Wert sind. Josephus war ein erstklassig ausgebildeter und vielseitig begabter Mensch. Selbstbewusst bis hin zur Eitelkeit, war er in seinem bewegten Leben nacheinander Musterschüler, "Aussteiger", Diplomat, Gouverneur und Militärbefehlshaber der aufständischen Juden in Galiläa, Kriegsgefangener, ortskundiger Dolmetscher der römischen Truppen im Dienst des Vespasian und dessen Sohns Titus, und schließlich Schriftsteller und Pensionär der flavischen Kaiserdynastie, deren Familiennamen er annahm. Die literarischen Hauptziele des Josephus bestanden in der Verteidigung des Judentums und in der religiösen Interpretation der Geschichte seines Volkes für die Zeit nach der Zerstörung des Zweiten Tempels (70 n. Chr.); erhalten sind vier seiner Werke in griechischer Sprache. Als sein erstes Werk gilt der in sieben Bücher gegliederte "Jüdische Krieg" ("De bello Iudaico"), in dem er nach einer ausführlichen Vorgeschichte von dessen Verlauf und Ergebnis berichtet, um die nationale Katastrophe dieses Krieges zu bewältigen und um dazu beizutragen, seine Wiederholung ein für alle Mal zu verhindern. Nach dem "Jüdischen Krieg" schrieb Josephus sein umfangreichstes Werk, die "Jüdischen Altertümer" ("Antiquitates Iudaicae"). In ihnen stellte er, ganz im Stil der zeitgenössischen kaiserzeitlichen historischen Schriftsteller und geprägt von Motiven aus der stoischen Philosophie, anhand einer ausführlichen Nacherzählung der hebräischen Heiligen Schriften und zahlreicher weiterer Quellen in 20 Büchern dar, wie sich das Judentum im verlauf seiner langen und bewegten Geschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Ausbruch des Jüdischen Kriegs im Jahre 66 n. Chr. entwickelte, wie seine Gesetze und Sitten beschaffen sind und auf wen diese zurückgehen. Als einen knappen Anhang zu den "Jüdischen Altertümern" verfasste Josephus seine "Selbstbiographie" ("Vita"), in der er in engagierter Auseinandersetzung mit seinem Rivalen, dem Chronisten Justus von Tiberias, von seiner priesterlichen Herkunft, seinem persönlichen Werdegang und seinem bisherigen Wirken (insbesondere seiner aktiven Teilnahme am Jüdischen Krieg) erzählt, um seine - offenbar nicht unumstrittene - Qualifikation als Geschichtsschreiber und Feldherr unter Beweis zu stellen. Als letzte uns erhaltene Schrift veröffentlichte der antike jüdische Schriftsteller eine in zwei Bücher gegliederte leidenschaftliche Verteidigung des Judentums "Gegen Apion" ("Contra Apionem"), in der er sich - in zuweilen polemischer Weise - gegen die verfälschende Böswilligkeit judenfeindlicher Autoren wie des alexandrinischen Grammatikers Apion bei der Darstellung der Geschichte des Judentums zur Wehr setzte, indem er danach trachtete, sie gravierender Fehler zu überfuhren, nämlich der mangelnden Übereinstimmung, der fehlenden Wahrheitsliebe und des geringen Alters ihrer Quellen. Das Werk enthält zahlreiche wertvolle Exzerpte aus den umfangreichen Schriften bekannter antiker Historiker wie z. B. Manetho, Menander oder Berossos, die an keiner anderen Stelle überliefert sind. Verloren gegangen ist die aramäische Originalversion des "Jüdischen Kriegs"; die uns erhaltene Version wurde von Josephus mit fremder Hilfe auf Griechisch verfasst. Manche Forscher nehmen an, einige Verweise in den "Jüdischen Altertümern" (vgl. Antiquitates XX 267 f.) würden auf eine verlorene "Syrische Geschichte" hinweisen. Doch ob Josephus dieses Werk nicht nur angekündigt, sondern auch tatsächlich verfasst hat, ist nicht sicher. Während Josephus im Judentum bald als "Verräter" in Ungnade fiel, hatte bereits die frühe christliche Kirche ein großes Interesse an der Überlieferung seiner Werke. Die Kirchenväter verstanden insbesondere den "Jüdischen Krieg" und die hierin enthaltene ausführliche Schilderung der Belagerung und Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. als Beweis für die Voraussagen Jesu über das Ende des Zweiten Tempels (Markus 13,1 f. parr.), weswegen gerade dieses Werk des Josephus im Christentum besonders häufig abgeschrieben wurde. Josephus hat viele Vorgänge und Ereignisse genau beobachtet und zahlreiche authentische Dokumente und Quellen wiedergegeben. Er bietet als vornehmer Jerusalemer Priestersohn viele zuverlässige Informationen aus dem Umkreis des Jerusalemer Tempels und beweist zugleich eindrücklich, wie tiefgehend die Verflechtung des antiken Judentums mit der hellenistischen Kultur tatsächlich war. Für die Erhellung der Geschichte der Juden in der Antike ist er einer der wichtigsten Gewährsleute, denn ohne sein Werk wüssten wir nur sehr wenig über das Schriftverständnis, die kulturellen und religiösen Strömungen, die politischen Vorgänge und Ereignisse sowie über das jüdische Alltagsleben in Palästina und in der Diaspora in hellenistisch-römischer Zeit und insbesondere im 1. Jahrhundert n. Chr. Michael Tilly * Vgl. Hans-Josef Klauck, 4. Makkabäerbuch (Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit III 6), Gütersloh 1989. ** Vgl. Peter Schreiner, Sanitätsrat Dr. Heinrich Clementz - Arzt und Gelehrter, in: Pulheimer Beiträge zur Geschichte 28 (2004), 136-164.